(Stand: 01.09.24)
Laut Statistischem Landesamt lernten im Schuljahr 2023/24 insgesamt 21.597 Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Ersatzschulen in Sachsen-Anhalt, das waren 10,2 Prozent der Gesamtschülerzahl an den allgemeinbildenden Schulen des Landes.
Innerhalb von zehn Jahren (seit dem Schuljahr 2013/14) stieg die Schülerzahl an den freien allgemeinbildenden Ersatzschulen um 47 Prozent.
Die meisten Schülerinnen und Schüler lernten im Schuljahr 2023/24 an freien Gymnasien (6.372) und an freien Grundschulen (6.249), der prozentual höchste Schülerzuwachs während der vergangenen fünf Jahre war hingegen an den freien Gemeinschaftsschulen (+ 32,2 %) und den freien Sekundarschulen (+ 28,4 %) zu beobachten.
Hinzu kamen 5.448 Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr 2023/24 an berufsbildenden Ersatzschulen lernten, das sind 12,2 Prozent der Schülerschaft im berufsbildenden Bereich. Besonders stark waren die freien Schulen in dem genannten Schuljahr bei den Fachschulen (2.808 Schüler*innen, was einen Anteil von 61,2 Prozent entspricht) und Berufsfachschulen (2.211 Schüler*innen, was einen Anteil von 35,4 Prozent entspricht) vertreten. Nicht mehr unter den „Ersatzschulstatus“ fallen seit 2020 die sog. Pflegeschulen, die ebenfalls in einem starken Maße von freien Trägern betrieben werden.
Zusammenfassend lernten also im Schuljahr 2023/24 insgesamt 27.045 Schülerinnen und Schüler an freien allgemein- und berufsbildenden Ersatzschulen, dies entsprach einem Schüleranteil von 10,8 Prozent.
Die Ersatzschulen sind vom Grundgesetz (Artikel 7 Absatz 4) und von der Landesverfassung (Artikel 28) geschützt. Damit geht eine Absage an ein staatliches Schulmonopol einher. Die Ersatzschulen bereichern in Sachsen-Anhalt mit ihren individuellen pädagogischen Konzepten nicht nur die öffentliche Schullandschaft, sondern sie stellen durch ihr Engagement immer häufiger auch die staatlich gebotene Schulversorgung (z.B. auf dem Land) sicher.
Eine Ersatzschule bedarf nach Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes und Artikel 28 Absatz 1 der Landesverfassung einer Genehmigung durch die zuständige Landesbehörde. Diese ist nur zu erteilen, wenn von Anfang an der Nachweis erbracht wird, dass die Ersatzschule in ihren Lernzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den vergleichbaren staatlichen Schulen zurücksteht und wenn an ihr eine Sonderung der Schülerinnen und Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird, d.h. das von einer Ersatzschule im Regelfall erhobene Schulgeld muss so ausgestaltet sein, dass es allen Schülerinnen und Schülern grundsätzlich möglich ist, diese Ersatzschule zu besuchen. Weiterhin muss der Träger der Ersatzschule sicherstellen, dass die wirtschaftliche und rechtliche Stellung seiner Lehrkräfte genügend gesichert ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es als gesichert gilt, dass die vorgenannten Voraussetzungen von den Ersatzschulen ohne eine staatliche Förderung nicht dauerhaft erfüllt werden können.
In Sachsen-Anhalt wurde den Ersatzschulen darüber hinausgehend durch Artikel 28 Absatz 2 der Landesverfassung ein ausdrücklicher Anspruch „auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Zuschüsse“ eingeräumt. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Einrichtungsgarantie. Diese verpflichtet gemäß Artikel 3 Absatz 2 das Land Sachsen-Anhalt, diese Einrichtungen (also auch die Ersatzschulen) zu schützen sowie deren Bestand und Entwicklung zu gewährleisten.
Dennoch erhalten die Ersatzschulen im Regelfall während der ersten drei Jahre ihrer Tätigkeit noch keine finanzielle Unterstützung durch das Land Sachsen-Anhalt, auch nicht rückwirkend nach dem Überstehen dieser sogenannten Wartefrist. Zahlreiche Verfassungsrechtsexperten halten dies für einen Verstoß gegen die Landesverfassung.
Die Träger von Ersatzschulen haben einerseits einen Anspruch auf Genehmigung der Errichtung einer Ersatzschule, wenn sie gegenüber der Schulverwaltung die Erfüllung sämtlicher Vorgaben von Artikel 7 Absatz 4 GG bzw. Artikel 28 Absatz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt nachweisen. Will ein (potenzieller) Ersatzschulträger eine neue Grundschule in freier Trägerschaft errichten, muss die Unterrichtsverwaltung hier zusätzlich die Kriterien von Artikel 7 Absatz 5 des GG prüfen.
Neben dem Anspruch auf Genehmigung haben in Sachsen-Anhalt die Träger der Ersatzschulen gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Landesverfassung einen direkten Anspruch „auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen öffentlichen Zuschüsse“.
Was heißt dies konkret? Im wichtigsten und umfangreichsten Kommentar zur Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt führt hierzu der ehemalige leitende Ministerialrat Dr. Andreas Reich folgendes aus: „Deshalb können die Schulen in freier Trägerschaft Mittel in dem Umfang erhalten, die erforderlich wären, um entsprechende öffentliche Schulen zu betreiben.“ (Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, Kommentar, 2. Auflage, Bad Honnef 2004, S. 183, Rn 5 ) Dem entspricht auch eine Aussage von Dr. Reinhard Höppner; dem damaligen Vorsitzenden des Landtags-Verfassungsausschusses und späteren Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, der in der Diskussion des Ausschusses zur Ausgestaltung von Artikel 28 Absatz 2 folgendes sagte: „Gewollt sei, dass die Schulen in freier Trägerschaft, die de facto Aufgaben wahrnehmen, die ansonsten öffentliche Schulen wahrnehmen, auch die Zuschüsse bekommen, die die öffentlichen Schulen bekämen, wenn sie an ihrer Stelle stünden.“ (aus: Protokoll über die Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 17./18.07.91 bis 07.07.92, Band II, S. 1.253 f.)
Damit dürfte sehr fraglich sein, ob z.B. die regelmäßige dreijährige Wartefrist, die neugegründete Ersatzschulen zu durchlaufen haben, bis sie erstmals eine Finanzhilfe vom Land Sachsen-Anhalt erhalten, verfassungsgemäß ist. Das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt hat hierzu mangels Klage noch keine Entscheidung getroffen.
Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19.11.2021 (sog. Bundesnotbremse II, Schulschließungen) erstmals ein Grundrecht jeder Schülerin und jedes Schülers auf schulische Bildung anerkannt (hergeleitet aus Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 7 Absatz 1 GG). In dem genannten Urteil heißt es u.a.:
„Das Recht auf schulische Bildung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 GG gibt Schülerinnen und Schülern die Befugnis, die Einhaltung eines für ihre Persönlichkeitsentwicklung unverzichtbaren Mindeststandards von Bildungsleistungen an staatlichen Schulen zu verlangen; insoweit können sich die Länder weder auf einen Spielraum bei der Ausgestaltung des Bildungsauftrages aus Art. 7 Abs. 1 GG noch darauf berufen, knappe öffentliche Mittel für andere Staatsaufgaben einsetzen zu wollen. ...
Dieses Recht gewährleistet aber allen Kindern eine diskriminierungsfreie Teilhabe an dem vom Staat zur Verfügung gestellten Schulen. Schülerinnen und Schüler können sich darüber hinaus gegen staatliche Maßnahmen wenden, welche die ihnen an ihrer Schule eröffneten Möglichkeiten schulischer Bildung einschränken, ohne das Schulsystem selbst zu verändern. ... Auch Schülerinnen und Schüler an Privatschulen können sich auf ein nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf schulische Bildung berufen. ... Schüler von Privatschulen können sich somit gegen staatliche Maßnahmen wenden, welche die von privaten Schulträger eigenverantwortlich ausgestalteten und vertraglich vereinbarten Möglichkeiten schulischer Bildung einschränken.“
Damit gesteht das Bundesverfassungsgericht also auch direkt den Schülerinnen und Schülern an Ersatzschulen bestimmte Abwehrrechte gegen einschränkende Entscheidungen der Schulverwaltung oder des Landesgesetzgebers zu.
Ohnehin hat nach Artikel 25 Absatz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt „jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf seine Herkunft und wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabung und eine seine Fähigkeiten fördernde Erziehung und Ausbildung“. Zu erwähnen ist außerdem Artikel 26 der Landesverfassung. Gemäß dem darin zu findenden Absatz 3 haben die Eltern u.a. das Recht und die Pflicht, die Schule für ihre Kinder auszuwählen.
Abschließend soll beispielhaft auch noch auf eine Veröffentlichung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Prof. Udo Di Fabio mit dem Titel „Staatliche Infrastruktur-Verantwortung für das Lehrpersonal freier Schulen“ (Klett-Cotta, Stuttgart 2020) verwiesen werden. In dieser leitet er aus den Regelungen von Artikel 7 Absatz 4 des GG u.a. folgendes ab:
„Ändern sich die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zulasten der Möglichkeiten zur offiziellen Personalgewinnung der Schulen in freier Trägerschaft, so entsteht eine Kompensationspflicht für die zuständigen Länder. Diese Kompensationspflicht verstärkt sich, wenn die Länder zur Gewinnung von Lehrkräften für den öffentlichen Schulbereich Anreize verstärken, die in entsprechendem Umfang den Schulen in privater Trägerschaft nicht zur Verfügung stehen.“
Sämtliche vorgenannten Rechtsverpflichtungen werden in Sachsen-Anhalt gegenüber den Ersatzschulen und deren Schülerschaft bislang nur unzureichend umgesetzt.Die bisherigen gesetzlichen Regelungen zur konkreten Ersatzschulfinanzierung in Sachsen-Anhalt sind in § 18 und § 18 a des Schulgesetzes (SchulG) LSA zu finden. In § 18 a SchulG LSA geht es konkret um die jährlich vorzunehmende Berechnung eines Personal- und Sachkostenzuschlages für die jeweiligen Ersatzschulen. Diese Regelungen werden noch einmal konkretisiert durch die Verordnung über die Schulen in freier Trägerschaft (SchifT-VO), wobei die Verordnungsregelungen direkt aus dem Schulgesetz ableitbar sein müssen.
Ab dem Schuljahr 2017/18 kam es zwischen zahlreichen Trägern von Ersatzschulen und dem Land zu rechtlichen Auseinandersetzungen bezüglich der Frage, ob bestimmte Regelungen in der SchifT-VO überhaupt noch den Vorgaben des Schulgesetzes entsprachen. Obwohl sich insbesondere der VDP Sachsen-Anhalt in vielen Gesprächen darum bemühte, eine Kompromisslösung in dieser Angelegenheit mit dem Land zu finden, gab das Land (hier insbesondere das Finanzministerium) nicht nach, so dass sich zahlreiche Ersatzschulträger dazu gezwungen sahen, ihre tatsächlichen Finanzhilfeansprüche auf dem Gerichtsweg geltend zu machen. In drei Musterverfahren stellte dann das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt im September 2022 fest, dass die von den Schulträgern geltend gemachten Ansprüche tatsächlich gegeben sind. Ende Dezember 2023 einigte sich das Land Sachsen-Anhalt mit allen klagenden Ersatzschulträgern auf Nachzahlungen von Finanzhilfe ab dem Schuljahr 2017/18 bis maximal zum Schuljahr 2020/21.
Der Landtag hatte schon zuvor erkannt, dass das Land bei den rechtlichen Auseinandersetzungen wohl nicht obsiegen wird. Deshalb traf der Landtag am 11.06.20 einen Beschluss unter der Überschrift „Finanzierungssystematik für Schulen in freier Trägerschaft gemeinsam überdenken“ (Landtags-Drs. 7/6172). Hierin ist in Punkt 3 folgendes festgehalten:
„Die Landesregierung ist gebeten, für die kommenden Haushalte eine neue rechtssichere und verlässliche Finanzierungsregelung zur dauerhaften Sicherstellung einer angemessenen Kostenerstattung zu erarbeiten und dem Land bis zum Ende des 1. Quartals 2021 vorzulegen, die auch die letztgenannten Fragen berücksichtigen.“
Nach der Landtagswahl im Jahr 2021 wurde dieses Thema von den handelnden Koalitionsparteien auch im Koalitionsvertrag „Wir gestalten Sachsen-Anhalt. Stark. Modern. Krisenfest. Gerecht.“ aufgenommen. Dort heißt es auf Seite 52 u.a.: „Wir werden, unter Einbeziehung der Vertreter der freien Schulen, ein neues Finanzierungsmodell für Schulen in freier Trägerschaft entwickeln, welches auskömmlich, rechtssicher, transparent und nachvollziehbar gestaltet wird.“
Im Folgenden ging es in einer Arbeitsgruppe zwischen dem Bildungsministerium und den Vertretern der freien Schulen darum, ein derartiges neues oder novelliertes Finanzhilfemodell zu erarbeiten. Ausfluss dieser Arbeit war die Beauftragung des Sachverständigen Thomas Beukert (KOWID-Institut Leipzig) durch das Bildungsministerium (eine vorgeschlagene gemeinsame Beauftragung unter Beteiligung der Vertreter der freien Schulen wurde abgelehnt) mit der Erstellung einer Matrix zur Ermittlung der tatsächlichen Schülerkosten der staatlichen Schulen als Ausgangspunkt für neue gesetzliche Regelungen zur Ersatzschulfinanzierung. Dessen Endbericht wurde vom Bildungsministerium im Dezember 2022 abgenommen.
Da sich schon zuvor und anschließend in einem noch stärkeren Maße erhebliche Differenzen zwischen dem Land und den Vertretern der freien Schulträger hinsichtlich der Fragestellung, wie die Ersatzschulfinanzierung künftig konkret ausgestaltet werden soll und was hierbei mit einzubeziehen ist, zeigten, kam es im Laufe des Jahres 2023 zu einer Beendigung der Tätigkeit der o.g. Arbeitsgruppe.
Hinter dieser Beauftragung steckte zunächst einmal die Idee, regelmäßig für alle Schulformen die tatsächlichen durchschnittlichen Kosten je Schüler im Bereich der staatlichen Schulen ermitteln zu können, die vor allem vom Land (ggf. mit unterstützender EU- oder Bundesförderung) und von den kommunalen Schulträgern aufgebracht werden. Diese ermittelten (vollständigen) Kosten sollten dann Maßstab für die künftige Förderung der Ersatzschulen werden, indem diesen Schulen von den ermittelten Werten ein vom Gesetzgeber noch festzulegender Prozentsatz als Finanzhilfe zur Verfügung gestellt wird.
Die Matrix sollte eigentlich sicherstellen, dass das Land gemeinsam mit den Vertretern der freien Schulen die Kostenentwicklungen bei den staatlichen Schulen regelmäßig untersuchen bzw. aktualisieren kann.
Die Beauftragung eines externen Sachverständigen mit der Erstellung der Matrix zur Ermittlung der staatlichen Schülerkosten wurde zum damaligen Zeitpunkt von allen Beteiligten als die fairste Lösung angesehen.
Nicht herangezogen werden können nämlich die jährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zu den staatlichen Schülerkosten, da diese zum einen immer erst mit einem gewissen Rücklauf öffentlich werden (d.h. die hierfür herangezogenen Statistiken sind mindestens zwei Jahre alt) und diese zum anderen auch nur teilweise an den in Sachsen-Anhalt bestehenden Schulformen ausgerichtet sind.
An dem sog. Schülerkostenvergleichsbericht, den die Landesregierung gemäß § 18 g SchulG LSA einmal pro Legislaturperiode dem Parlament vorzulegen hat, war in den Jahren zuvor immer wieder Kritik geübt worden, weil hierbei zahlreiche Kostenpositionen der staatlichen Schulen gar nicht oder nur teilweise berücksichtigt worden sind, weshalb die bisher vorgelegten Berichte nicht geeignet waren, den Abgeordneten ein objektives Bild über die Finanzsituation der staatlichen und freien Schulen zu vermitteln, zumal hierbei auch nie die Sonderbelastungen der freien Schulträger erfasst wurden.
Hier sind zum einen die Bereiche zu nennen, die der Sachverständige Thomas Beukert in seinem Endbericht selbst aufführt. So hat er bereits Abzüge bei den sogenannten Overheadkosten vorgenommen, konkret 15 Prozent bei den Kosten des Bildungsministeriums (Schüleranteil der freien Schulen von 11 Prozent + 4 Prozent für den Bereich Erwachsenenbildung), 5,5 Prozent beim Landesschulamt und 11 Prozent beim Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA).
Fest steht auch, dass die vom Sachverständigen ermittelten (Personal-)Kosten in allen Schulformen auf einer unterdurchschnittlichen Unterrichtsversorgung an den staatlichen Schulen beruhen, z.B. hat er bei den Grundschulen eine Unterrichtsversorgungsquote von 98,2 % herangezogen, bei den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen von 91,8 %, bei den Gymnasien von 99,6 % und bei den berufsbildenden Schulen von 97,3 %. Erklärtes Ziel der Koalition ist – über alle Schulformen hinweg – eine Unterrichtsversorgungsquote in Höhe von 103 Prozent.
Weiterhin hat der Sachverständige bei seiner Schülerkostenermittlung außerhalb des Haushalts-Einzelplans 07 (Ministerium für Bildung) offenbar nur noch anteilig die Kosten der Bezügestelle des Landes Sachsen-Anhalt (untergebracht im Finanzamt Dessau-Roßlau, enthalten im Einzelplan 04, Kapital 0408 der Haushaltsrechnung des Landes für 2020) berücksichtigt, weitere relevante Haushaltsmittel (z.B. für die Entwicklung des Bildungsmanagementssystems Sachsen-Anhalt, enthalten im Einzelplan 19, oder für Baumaßnahmen zur Sanierung der Landesschule Pforta, die im Haushaltsplan 20 enthalten waren) aus dem VDP nicht nachvollziehbaren Gründen hingegen nicht.
Leider hat es der Sachverständige trotz mehrfacher Nachfrage / Bitte durch die Vertreter der freien Schulen auch versäumt, konkret darzustellen, welche Titel / Konten er aus dem Landeshaushalt mit welchen Begründungen und mit welchem Umfang er in seinen Kostenermittlungen vollumfänglich, teilweise oder gar nicht einbezogen hat, so dass eine abschließende Bewertung der o.g. Frage für den VDP Sachsen-Anhalt nicht möglich ist. Dies fällt auch deshalb schwer, weil der Sachverständige in seiner Gutachtenerarbeitung auf eine (interne) Schulstatistik des Ministeriums für Bildung zurückgreifen konnte, die bislang nicht vollständig veröffentlicht wurde.
Schließlich muss auch darauf hingewiesen werden, dass an den staatlichen Schulen in Sachsen-Anhalt noch zahlreiche Kostenpositionen nach dem 31.12.2020 (dem Ende der Betrachtung der Schülerkosten durch Herrn Beukert) neu entstanden sind, die in die Schülerkosten-Matrix nachträglich mit aufgenommen werden müssten, z.B. die zunehmende Zahl an Schulverwaltungsassistenten (bislang nicht Gegenstand der Finanzhilfe für freie Schulen), das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“, das Startchancenprogramm, der stetige Ausbau der „Weltenretter“-Kampagne des Bildungsministeriums (z.B. Einführung + Finanzierung eines dualen Studiengangs; Erweiterung des Weltenretter-Stipendiums) oder das Ausreichen eines flexiblen Personalbudgets (ausschließlich für staatliche Schulen).
Vergleich staatlichen Schülerkosten (s. S. 82 ff. des Endberichts)1 mit Finanzhilfen für freie Schulen in Sachsen-Anhalt (s. SVBl. LSA vom 20.10.2020, S. 208 ff.) im Schuljahr 2019/20 (Beispiele)
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Grundschulen (mit verlässlichen Öffnungszeiten)
- staatliche Grundschulen2
Personalkosten: 4.786 € Sachkosten: 2.676 € (=55,9 % der PK) Gesamtkosten: 7.462 € - freie Grundschulen3
Personalkostenzuschuss: 3.933 € Sachkostenzuschuss: 706 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 4.639 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Grundschulen
Personalkosten: 82,2 %5 Sachkosten: 26,4 % Gesamtkosten: 62,2 %
- staatliche Grundschulen2
1 Der vom Bildungsministerium beauftragte Sachverständige hat die IST-Schülerkosten der staatlichen Schulen nach Haushaltsjahren ermittelt. Da er dies aber für die Haushaltsjahre 2018 bis 2020 tat, können die IST-Schülerkosten problemlos auf die Schuljahre 2018/19 und 2019/20 umgerechnet werden.
2 Die vom Sachverständigen ermittelten IST-Kosten der staatlichen Schulen beruhen im Schuljahr 2019/20 auf folgenden (kostensenkenden) Unterrichtsversorgungsquoten (jeweils Stand 17.02.20, s. Drs. 7/4208): Grundschulen 98,0 %; Sekundarschulen 92,3 %; Gemeinschaftsschulen 90,8 %; Gymnasien 99,6 %; Gesamtschulen 97,3 %; Förderschulen 96,1 %
3 Freie Schulen erhalten in den ersten drei Jahren ihres Schulbetriebs im Regelfall keine Finanzhilfe.
4 Bis zum 31.12.19 betrug der im Schulgesetz vorgesehene Sachkostenzuschuss für die Ersatzschulen 20 % des Personalkostenzuschusses, ab dem 01.01.20 aufgrund einer Gesetzesänderung im Rahmen der Haushaltsbereinigung nur noch 16,5 %.
5 Bis zum 31.12.19 war für diese Berechnung des im Schulgesetz verankerten Personalkostenzuschusses der Faktor 0,95 vorgesehen, zum 01.01.20 wurde dieser Faktor im Rahmen der Haushaltsbereinigung auf 0,92 gesenkt.
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Sekundarschulen 1, 2, 3, 4, 5
- staatliche Sekundarschulen2
Personalkosten: 6.186 € Sachkosten: 2.615 € (=42,3 % der PK) Gesamtkosten: 8.801 € - freie Sekundarschulen3
Personalkostenzuschuss: 5.706 € Sachkostenzuschuss: 1.025 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 6.731 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Sekundarschulen
Personalkosten: 92,2 %5 Sachkosten: 39,2 % Gesamtkosten: 76,5 %
- staatliche Sekundarschulen2
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Gymnasium 1, 2, 3, 4, 5
Schuljahrgänge 5 bis 10
- staatliche Gymnasien2
Personalkosten: 5.644 € Sachkosten: 2.278 € (=40,4 % der PK) Gesamtkosten: 7.922 € - freie Gymnasien3
Personalkostenzuschuss: 4.977 € Sachkostenzuschuss: 894 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 5.871 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Gymnasien (Kl. 5 – 10)
Personalkosten: 88,2 %5 Sachkosten: 39,2 % Gesamtkosten: 74,1 %
Schuljahrgänge 11 bis 12
- staatliche Gymnasien2
Personalkosten: 8.381 € Sachkosten: 2.991€ (=35,7 % der PK) Gesamtkosten: 11.372 € - freie Gymnasien3
Personalkostenzuschuss: 6.169 € Sachkostenzuschuss: 1.108 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 7.277 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Gymnasien (Kl. 11 – 12)
Personalkosten: 73,6 %5 Sachkosten: 37,0 % Gesamtkosten: 64,0 %
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Gesamtschule 1, 2, 3, 4, 5
Schuljahrgänge 5 bis 11
- staatliche Gesamtschulen2
Personalkosten: 6.667 € Sachkosten: 2.740€ (=41,1 % der PK) Gesamtkosten: 9.407 € - freie Gesamtschulen3
Personalkostenzuschuss: 5.369 € Sachkostenzuschuss: 964 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 6.333 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Gesamtschulen (Kl. 5 – 11)
Personalkosten: 80,5 %5 Sachkosten: 35,2 % Gesamtkosten: 67,3 %
Schuljahrgänge 12 bis 13
- staatliche Gesamtschulen2
Personalkosten: 10.416 € Sachkosten: 3.734 € (=35,8 % der PK) Gesamtkosten: 14.150 € - freie Gesamtschulen3
Personalkostenzuschuss: 6.898 € Sachkostenzuschuss: 1.239 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 8.137 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Gesamtschulen (Kl. 11 – 12)
Personalkosten: 66,2 %5 Sachkosten: 33,1 % Gesamtkosten: 57,5 %
-
Berufsfachschule Physiotherapie (3J/V) 1, 3, 4, 5
- staatliche Berufsfachschulen
Personalkosten: 6.404 € Sachkosten: 2.815€ (= 44,0 % der PK) Gesamtkosten: 9.167 € - freie Berufsfachschulen3
Personalkostenzuschuss: 4.390 € Sachkostenzuschuss: 788 € (= 18,0 % der PK4) Gesamtzuschuss: 5.178 € - Kostendeckungsgrad Finanzhilfe bei freien Berufsfachschulen für Physiotherapie (3J/V)
Personalkosten: 68,6 %5 Sachkosten: 28,0 % Gesamtkosten: 56,5 %
- staatliche Berufsfachschulen
Der Sachverständige Thomas Beukert hat eine sehr umfassende Arbeit geleistet und konnte hierdurch auch die Tendenzen, die sich bereits aus einem früheren vom Bildungsministerium beim Leipziger GBM-Institut in Auftrag gegebenen Gutachten ergeben hatten, erhärten.
Dennoch vertritt der VDP Sachsen-Anhalt die Auffassung, dass der Gutachter einerseits einige Kostenpositionen der staatlichen Schulen nicht bzw. nicht vollständig erfasst hat, andererseits verschiedene Kostenpositionen nicht auf ihre Plausibilität hin überprüfbar sind und zudem das eigentliche Instrument zur künftigen Ermittlung der staatlichen Schülerkosten - die sogenannte Matrix - sehr fehleranfällig erscheint, u.a. weil viele Daten sehr aufwendig händisch erfasst werden müssen.
Hinsichtlich der nicht oder nur unzureichend erfassten staatlichen Schülerkosten sei u.a. auf folgende Punkte verwiesen:
- Bei der Höhe der für die verbamteten Lehrkräfte monatlich zu berücksichtigen Höhe der Zuführungen in das Landessondervermögen „Pensionsfonds für die Versorgung und Beihilfen der Versorgungsempfänger des Landes Sachsen-Anhalt“ (kurz: die Versorgungspauschale) hat er nicht die Vorgaben der zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung geltenden Pensionsfonds - Zuführungsverordnung (PZVO) des Landes Sachsen-Anhalt beachtet. Der Sachverständige nahm für das Jahr 2020 eine Versorgungspauschale in Höhe von lediglich 30 Prozent an, während die PZVO diese für Lehrkräfte mit exakt 38,6 Prozent Mittlerweile gab es hierzu eine Anpassung der Verordnung (s. GVBl. Nr. 3/2024, S. 25): Ab 01.01.25 ist die Versorgungspauschale für Lehrkräfte mit 42,67 Prozent festgeschrieben.
Dies hat in Sachsen-Anhalt deshalb eine hohe Bedeutung, weil hier der Anteil der vom Land verbeamteten Lehrkräfte systematisch gestiegen ist: Waren im Schuljahr 2005/06 nur 15,9 Prozent der hiesigen staatlichen Lehrkräfte verbeamtet, waren es im Schuljahr 2022/23 bereits 46,3 Prozent (im berufsbildenden Bereich 61,7 Prozent) , s. Antwort der Landesregierung vom 20.10.23, Drs. 8/3269.
- Der Sachverständige hat es u.a. bei der Ermittlung der sogenannten Overheadkosten versäumt, die Besonderheiten der staatlichen Berufsschulen (= Teilzeitschulen) zu berücksichtigen. Im Schuljahr 2020/21 besuchten insgesamt 38.430 Schüler staatliche berufsbildende Schulen in Sachsen-Anhalt, davon 26.337 die (Teilzeit-)Berufsschulen. Da die Schülerkosten aber nach Vollzeitäquivalenten zu ermitteln waren, hätten die o.g. 26.337 Schüler durch den allgemeinen anerkannten Berechnungsfaktor 2,5 dividiert werden müssen.
In diesem Falle wäre er auf 10.535 Vollzeitäquivalenzen gekommen, insgesamt also auf 22.628 Schülerinnen und Schüler (und nicht auf 38.430 Schülerinnen und Schüler). Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man die ermittelten Overheadkosten der staatlichen Schulen im berufsbildenden Bereich durch 38.430 oder durch 22.628 teilt, wenn man die Durchschnittskosten je Schüler ermitteln möchte.
- Es muss ausdrücklich dargestellt werden, auf welcher prozentualen Unterrichtsversorgung die für die einzelnen Schulformen ermittelten staatlichen Schülerkosten beruhen. Dies ist dem Endbericht von Herrn Beukert nicht entnehmbar, sondern nur der Matrix. Mit dieser könnte auch ermittelt werden, wie hoch die Schülerkosten in den einzelnen Schulformen wären, wenn die von der Koalition angestrebte Versorgungsquote von 103 Prozent tatsächlich erreicht werden würde.
- Der Sachverständige hat bei seinen Ermittlungen im Wesentlichen nur den Einzelplan 07 (direkt dem Bildungsministerium zugeordnet) aus dem Landeshaushalt berücksichtigt - und selbst hiervon fehlen einige Kapitel wie zum Beispiel 0702 = Allgemeine Bewilligungen. In jenem Kapitel wurden im Jahr 2020 u.a. die Abgeltung urheberrechtlicher Ausgleichsansprüche, Ausgaben zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie, Zuschüsse für laufende Zwecke an öffentliche Unternehmen im Rahmen des Digitalpakts Schule oder auch die Kofinanzierung von EU-Mitteln in der Förderperiode 2014 - 2020 erfasst, also alles relevante Schülerkosten.
Darüber hinaus hat er nur noch anteilig die Kosten der Bezügestelle des Landes beim Finanzamt Dessau-Roßlau (s. Einzelplan 04, Kapitel 0408) berücksichtigt, andere Einzelpläne aus dem Haushalt des Landes aber nicht, obwohl sich hier in einigen Teilen ebenfalls Kosten verbergen, die den staatlichen Schulen zugeordnet werden müssen. Dazu gehören z.B. die Entwicklung des Bildungsmanagementssystems Sachsen-Anhalt (BMS-LSA), was im Einzelplan 19 des Landeshaushaltes enthalten ist, oder Hochbaumaßnahmen des Landes zur Sanierung der Landesschule Pforta (s. Einzelplan 13).
- Schließlich hat er auch die Kosten der kommunalen Schulträger, insbesondere für deren Gebäude, deutlich zu niedrig angesetzt. Berechnungsalternativen, wie z.B. die Heranziehung des Bewertungsgesetzes (BewG) und des hieraus folgenden Sachwertverfahrens (was z.B. die Bundesverwaltung anwendet), wurden trotz entsprechender Hinweise der Vertreter der freien Schulen von ihm gar nicht erst geprüft.
Die Mieten der staatlichen Schulen beziffert er oft nur mit wenigen Cent je Schüler und m², während ein Wert von 5 € je Schüler und m² (Höhe entspricht der Datenauswertung der kommunalen Ausgaben in Sachsen-Anhalt laut dem Statistischen Landesamt sowie dem Mietspiegel der IHK Halle/Dessau) wohl deutlich realistischer erscheint und auch eher dem entspräche, was freie Schulträger üblicherweise für das Mieten ihrer Schulgebäude zu entrichten haben.
Der Sachverständige hat bei seiner Ermittlung der kommunalen Schulkosten weiterhin die Produktgruppe 424 („Sportstätten und Bäder“) unberücksichtigt gelassen, obwohl z.B. die freien Schulen für die Nutzung von Schwimmhallen oder Sporthallen im Rahmen der Abdeckung des Unterrichtes regelmäßig Gebühren zu entrichten haben. Ohnehin ließ sich der Sachverständige bei seinen Kostenermittlungen mehr von dem Begriff „Zuschussbedarf“ leiten, der nicht dem eigentlich verabredeten Begriff „Vollkosten“ entspricht.
Dazu gehören mehrere Kostenpositionen, obwohl ohne diese nach Auffassung des VDP Sachsen-Anhalt gar keine staatlichen Schulen betrieben werden könnten. Beispielhaft sei verwiesen auf:
- die Immobilien-, Miet- und Investitionskosten der kommunalen Schulträger mit der Begründung, dass die freien Schulen ja gemäß § 18a Abs. 6 SchulG LSA an Investitionsförderprogrammen für öffentliche Schulen angemessen zu beteiligen seien ® der Sachverständige hat zu diesem Problempunkt ausgeführt, dass die Kommunen in dem von ihm betrachteten Zeitraum nur etwa 33 Prozent ihrer Gebäude- und Investitionskosten über Förderprogramme abdecken konnten, d.h., dass sie 66 Prozent der o.g. Kosten selbst aufbringen mussten; zudem ist mit Ausnahme der IKT- und DigitalPakt-Förderungen immer stärker zu beobachten, dass freie Schulträger entweder unterdurchschnittlich oder gar nicht mehr an Schulbauförderprogrammen beteiligt werden (z.B. Startchancenprogramm; STARK-III-Programm)
- hinsichtlich der sog. „Versorgungspauschale“ für verbamtete Lehrkräfte will das Bildungsministerium lediglich einen Anteil von 22 Prozent zulassen, obwohl das Land für die eigenen Lehrkräfte im Beamtenstatus ab dem 01.01.25 gemäß der Pensionsfonds-Zuführungs-Verordnung des Landes hierfür einen Satz von 42,67 Prozent (also fast doppelt so hoch!) vorsehen muss
- von den vom Gutachter veranschlagten Overheadkosten i.H.v. 100,9 Mio. € will das Land nur 28,5 Mio. € berücksichtigen (entspricht lediglich 28,2 Prozent des Gutachterwertes), u.a. sollen die Kosten des Bildungsministeriums sowie des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) mit jeweils NULL € berücksichtigt werden und die vom Sachverständigen ermittelten anteiligen Kosten der Bezügestelle nur noch zu 50 Prozent
- von den Kosten der Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen lediglich 80 Prozent in Anschlag gebracht werden
- weiterhin will das Bildungsministerium durch die Einführung eines sog. „Auslastungsfaktors“ die Kosten der staatlichen Schulen zusätzlich minimieren
- in bestimmten Schulformen sollen „Bündelungen“ vorgenommen werden (z.B. in der gymnasialen Oberstufe der Gymnasien, Gemeinschafts- und Gesamtschulen), was sehr wahrscheinlich auch zu Reduzierungen bei der zu errechnenden Finanzhilfe für die entsprechenden freien Schulen führen würde
- vermeintliche „Sonderbelastungen“ des staatlichen Schulwesens sollen aus den IST-Kosten herausgerechnet werden, u.a. alle Leistungen, auf die die freien Schulen laut aktuellem Schulgesetz derzeit keinen Förderanspruch haben, z.B. auf die Förderung des laufenden Ganztagsschulbetriebes
- die Kosten der Schülerbeförderung
- unberücksichtigt bleiben sollen im Gegensatz dazu Sonderbelastungen der freien Schulen (s. Frage 10)
Sonderbelastungen freier Schulen in Sachsen-Anhalt
- Verwaltungsberufsgenossenschaft: höhere Beiträge für Lehrkräfte (Unfallversicherung)
- Wartefrist / Kredit- bzw. Zinsbelastung im Anschluss / Bürgschaftskosten
Beispielsrechnung
Angenommen, eine freie Sekundarschule hätte ihren Betrieb in Sachsen-Anhalt zum 01.08.22 aufgenommen. Diese Schule würde zweizügig geführt werden und kontinuierlich 22 Schüler*innen je Klasse aufnehmen. Während der ersten drei finanzhilfefreien Jahre (= Wartefrist) würde diese Schule somit im Schuljahr 2022/23 insgesamt 44 Schüler*innen, 2023/24 insgesamt 88 Schüler*innen und 2024/25 insgesamt 132 Schüler*innen aufweisen.
Würde das Land für diese Schüler*innen von Anfang an die gesetzlich vorgesehene Finanzhilfe zahlen (wie es verschiedene Verfassungsrechtler mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 Verf-LSA fordern), müsste das Land (unter Berücksichtigung des vorläufigen Finanzhilfesatzes für das Schuljahr 2021/22) für die ersten drei Jahre insgesamt 1.803.244 € für diese Schule aufbringen. Diese Mittel muss der Schulträger nun selbst „erwirtschaften“, im Regelfall durch eine Kreditaufnahme. Findet der Träger ein Kreditinstitut, das einen solchen Kredit gewährt, bei dem die Tilgung erst nach 36 Monaten (also nach Ablauf der Wartefrist) einsetzt, müsste der Träger in den folgenden 15 Jahren bei einem (sehr niedrig angenommenen Zinssatz) in Höhe von 4,07 % monatlich Kreditraten i.H.v. 15.008,93 € (= 180.107,16 € pro Jahr) bis zum Jahr 2040 abzahlen.
Über die gesamte Laufzeit würde er somit mit mehr als 2,7 Mio. € belastet werden. Selbst wenn die Sekundarschule nach 6 Jahren voll ausgebaut ist und insgesamt 264 Schüler*innen aufweist, würde diese ab dem 6. Jahr noch 13 Jahre lang mit einem Betrag von 682,22 € je Schüler*in und Jahr belastet werden (im 4. Jahr wären es gar 1.023,34 € und im 5. Jahr 818,67 € pro Schüler*in und Jahr)
- Gebühren für die Genehmigung der Ersatzschule, für deren Anerkennung, für die Genehmigung von Lehrkräften und für pädagogische Eignungsfeststellungen
- Organisation der Schulgelderhebung (u.a. Einzug Schulgeld, Entscheidungen über Befreiung / Reduzierung Schulgeld, Umgang mit Zahlungsverzug + mit Schulgeldausfall)
- Keine Beteiligung an allen Förderprogrammen der Kommunen, z.B. STARK V (2020: 19,569 Mio. €!, s. Haushalt, Kapitel 1312, TGr. 64, S. 1152) → Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen + 21,88 Mio. € (S. 1166)
- Keine Zuweisungen des Landes für Sportstätten freier Schulen (2020 Sonder-Titel des Landes: „Zuweisung für Investitionen in kommunale Sportstätten“ = 2,187 Mio. €, Kapitel 1312, S. 1162) → freie Schulen stattdessen: müssen häufig Gebühren für Nutzung kommunaler Sportstätten / Schwimmhallen entrichten
- Eigenfinanzierung des besonderen pädagogischen Profils + zusätzlicher Wochenstunden + von gesonderten (pädagogisch bedingten) Klassenteilungen (z.B. für handwerkliche und künstlerische Unterrichtsfächer an den Waldorfschulen) + ggf. für Ausbildung/Zusatzqualifizierung von Pädagogen (z.B. an Montessori-, Waldorf- oder christlichen Schulen)
- da Lehrkräfte an freien Schulen nicht zentral (wie beim Land), sondern jeweils dezentral gesucht und eingestellt werden müssen, haben die freien Schulträger deutlich höhere Kosten bei der Einstellung ihres pädagogischen Personals; wegen der Verbeamtungsangebote des Landes und wegen der zusätzlich vom Land gewährten Sonderzahlungen für Lehrkräfte, die an weniger begehrten staatlichen Schulen tätig werden, erhöht sich der Aufwand der Lehrkräftegewinnung für die freien Schulen weiter, da diese eben z.B. regelmäßig nicht verbeamten können
- Einsatz von Schulverwaltungsassistenten wird bislang nur an staatl. Schulen durch das Land finanziert (s. Einzelplan 07, Kapitel 0707 = 451.619,26€, Haushaltsrechnung 2021, S. 642)
- Eigenfinanzierung der zusätzlichen laufenden Aufwendungen für den Ganztagsschulunterricht; freie Schulträger erhalten auch keine Leistungen durch die Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt, die u.a. vom Land finanziert wird
- Kosten Steuerberater / Wirtschaftsprüfer
- Abgaben, Besitz- und Verkehrssteuern, die von freien Schulträgern geleistet werden müssen
- höhere Kosten für Daten- und Arbeitsschutz, da jeder freie Schulträger entsprechende Verantwortliche hierfür nachweisen muss
- durch § 18a Abs. 1 SchulG wird die Finanzhilfe für eine nicht unerhebliche Zahl von Schüler*innen an Ersatzschulen ohne Kompensation abgeschnitten (aktuelles Beispiel: in der Pflegehilfe-Ausbildung)
- Werbungskosten für das Gewinnen der Schülerschaft
- geringere Finanzierung von pädagogischen Mitarbeiter*innen durch das Land (s. § 18a Abs. 4 SchulG): Aktuell wird hier nur der Faktor 0,736 (also 0,8 x 0,92) gewährt
- z.T. höhere Anforderungen an Ersatzschulen bei Fördermittelvergabe (s. z.B. Richtlinie Ganztagsbetreuung)
Aus der Sicht des VDP Sachsen-Anhalt darf es bei dem Beschluss der vorgesehenen Schulgesetznovelle nicht nur um ein neues Modell zur Berechnung der Finanzhilfe gehen, sondern es müssen darüber hinaus weitere Regelungen aufgegriffen werden, die die Finanzierung der freien Schulen mittelbar betreffen, weil diese bislang gar nicht oder nur unzureichend die Vorgaben der Landesverfassung zur Ersatzschulfinanzierung umsetzen. Dies wäre – wie sich aus verschiedenen Gutachten und juristischen Fachartikeln entnehmen lässt – schon längst das Gebot der Stunden gewesen. Außerdem sind einige Regelungen auch mit Blick auf gute praktische Erfahrungen in anderen Bundesländern entsprechend zu modifizieren.
Dabei handelt es sich u.a. um folgende Punkte:
- Die grundsätzlich vorgesehene dreijährige Wartefrist, in der insbesondere Träger, die erstmals eine Ersatzschule gründen, keinerlei Finanzhilfe vom Land (auch nicht rückwirkend) erhalten, verstößt unzweifelhaft gegen Artikel 28 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt. Hier sollte zumindest eine Regelung gefunden werden, die sich an der des Freistaates Sachsen zur Wartefrist orientiert: Dort erhalten Neugründer von Ersatzschulen im Laufe der ebenfalls dreijährigen Wartefrist und im Anschluss daran für den genannten Zeitraum insgesamt 80 Prozent der regulären Finanzhilfe. Ursächlich für diese Festlegung war ein Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2013, der eine „finanzhilfefreie“ Wartefrist für verfassungswidrig angesehen hat. Hierbei ist festzuhalten, dass die Regelungen in der sachsen-anhaltischen Landesverfassung zu den Finanzierungsansprüchen der Ersatzschulen sogar noch über die der Verfassung des Freistaates Sachsen hinausgehen.
- Zurecht verlangt die Schulaufsicht von den Trägern der Ersatzschulen aufgrund des sog. Sonderungsverbots Regelungen in deren Schulgeldordnungen, durch die sichergestellt werden muss, dass grundsätzlich jedes Kind – und zwar unabhängig vom Einkommen seiner Eltern – eine Ersatzschule besuchen kann, natürlich unter Berücksichtigung der Kapazitäten und der inhaltlichen Ausrichtung der jeweiligen Schule.
Nahezu alle Ersatzschulen weisen deshalb Schülerinnen und Schüler auf, deren Eltern das eigentlich notwendige Schulgeld nicht oder nur anteilig zahlen können. In diesen Fällen wäre aus der Sicht des VDP Sachsen-Anhalt eigentlich das Land – analog wie bei der Finanzierung der Kindertagesstätten – in der Pflicht, den Ersatzschulträgern die hieraus folgenden Finanzierungsausfälle zu ersetzen. Insofern lautet auch die Forderung des VDP Sachsen-Anhalt, dass im Schulgesetz eine neue Regelung aufgenommen werden muss, die eine solche Schulgelderstattung verbindlich vorsieht.
Im Bereich der berufsbildenden Ersatzschulen ist aufgrund des herrschenden Fachkräftemangels in einigen Fachrichtungen bereits die Schulgeldfreiheit vorgesehen, d.h. dort erstattet das Land den freien Schulträgern das Schulgeld, wenn sie auf eine entsprechende Erhebung gegenüber ihrer Schülerschaft generell verzichten. Dies gilt z.B. für die Pflegehelfer-Ausbildung und bislang noch befristet auch für die Erzieherausbildung. Hier müssen grundsätzlich und vor allem dauerhafte Lösungen gefunden werden und weitere Fachrichtungen aufgenommen werden (ähnlich wie in benachbarten Bundesländern; betrifft z.B. die Physiotherapie, die Ergotherapie oder die Podologie), um den entsprechenden Fachkräftebedarf auch für unser Bundesland weiter zu sichern. - In Nachbarbundesländern wie Sachsen und Thüringen ist schon seit Jahren geregelt, dass Kinder mit festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfen, die den Gemeinsamen Unterricht (GU) an einer Ersatzschule besuchen, finanziell nicht schlechter gestellt werden, als würden sie eine entsprechende Förderschule mit dem jeweiligen Förderschwerpunkt besuchen. In Sachsen-Anhalt erhalten hingegen Ersatzschulen, die inklusiv arbeiten, für Schülerinnen und Schüler mit festgestellten Förderbedarfen oft nur ca. die Hälfte des Betrages, der an vergleichbare Förderschulen (dort wegen des hohen Aufwandes auch zurecht) gezahlt wird.
Hier ist deshalb die Erwartung des VDP Sachsen-Anhalt, dass sich das Land Sachsen-Anhalt bei der Finanzierung des GU an den Ersatzschulen künftig an den entsprechenden Regelungen in Sachsen und Thüringen orientiert. - Die Regelung zur Berichtspflicht der Landesregierung nach § 18g SchulG-LSA sollte konkretisiert werden, da der Bericht in der Vergangenheit einerseits zum Teil gar nicht oder erst verspätet von der Landesregierung vorgelegt wurde. Den letzten Schülerkostenvergleichsbericht für die 7. Legislaturperiode legte die Landesregierung beispielsweise erst am 25.06.2021 vor, also knapp 3 Wochen nach der Landtagswahl zur 8. Legislaturperiode. Eine Diskussion über die Berichtsergebnisse im Bildungsausschuss unterblieb deshalb in der 7. Legislaturperiode.
Weiterhin entsprachen die bisherigen von der Landesregierung vorgelegten Berichte nicht den gesetzlichen Vorgaben, wonach die im öffentlichen Schulwesen tatsächlich entstandenen Kosten den Schülerkostensätzen, die den Ersatzschulen nach dem Ablauf der Wartefrist gezahlt werden, gegenüberzustellen sind. Die Landesregierung hat bisher stets die staatlichen Schülerkosten (insbesondere auch die der kommunalen Gebietskörperschaften) nur unzureichend ermittelt (für einige Schulformen gar nicht) und dann auch noch verschiedenen Abzüge von den verbleibenden Kosten vorgenommen, weil die Ersatzschulträger auf derartige Finanzierungsbestandteile angeblich keinen Anspruch hätten (z.B. Gebäudekosten, Kosten des laufenden Ganztagsschulbetriebs). Auch wurden bei der Gegenüberstellung die eigentlichen Schülerkostensätze, die die freien Schulen erhalten, um zusätzliche (unzulässige) kostensteigernde Faktoren erweitert (z.B. „Auslastungsfaktor“), während gleichzeitig Sonderbelastungen der freien Schulträger (wie z.B. Eigenfinanzierung der dreijährigen Wartefrist durch Kredite) außer Acht gelassen wurden.
Der VDP Sachsen-Anhalt fordert deshalb, dass ein entsprechender Vergleichsbericht künftig immer durch einen objektiven und sachverständigen Dritten anzufertigen ist, der vom Bildungsministerium und von den Vertretern der freien Schulen gemeinsam zu beauftragen ist, und dass der Vergleichsbericht zur Mitte der Legislatur vorgelegt werden muss. - In dem im September 2021 unterzeichneten Koalitionsvertrag „Wir gestalten Sachsen-Anhalt“ haben die Koalitionspartner auf S. 52 zu den Schulen in freier Trägerschaft u.a. folgendes vereinbart: „Freie Schulträger sollen grundsätzlich selbst über den Lehrkräfteeinsatz entscheiden können. Hierfür werden die Genehmigungsverfahren zur Einstellung von Lehrkräften und zur Besetzung von Schulleitungspositionen an Schulen in freier Trägerschaft vereinfacht. Die Schulaufsicht führt stichprobenartige Überprüfungen bezüglich der Vergleichbarkeit der Einstellungsvoraussetzungen an staatlichen Schulen durch.“
Dieser Passus des Koalitionsvertrages wurde bislang noch nicht umgesetzt. Er sollte deshalb ebenfalls Bestandteil der Schulgesetznovelle werden. Ebenso sollte darüber nachgedacht werden, dass die Gebühren, die die Ersatzschulträger regelmäßig für die Prüfung ihrer Anträge auf Genehmigung von Lehrkräften zu entrichten haben, künftig entfallen.
Gemäß § 18a Abs. 1 SchulG-LSA richtet sich die Höhe des Zuschusses, den Ersatzschulen nach Ablauf der dreijährigen Wartefrist erhalten, nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die jeweilige Ersatzschule besuchen, wobei diese Vorschrift hinsichtlich der von der Finanzhilfezahlung berücksichtigten Schülerschaft eine Kappungsgrenze vorsieht.
Dennoch ist klar:
Je mehr Schülerinnen und Schüler an Ersatzschulen in Sachsen-Anhalt lernen, umso höher sind die Ausgaben des Landes für die Ersatzschul-Finanzhilfe. Gleichzeitig aber werden das Land und die kommunalen Schulträger finanziell entlastet, müssten sie doch einen deutlich höheren Betrag je Schüler/in aufbringen, wenn diese stattdessen staatliche Schulen besuchen würden.
Leider werden häufig bei der Betrachtung der steigenden Landesausgaben für die Ersatzschulen die gleichzeitigen Kostensteigerungen beim Land und den kommunalen Schulträgern für die staatlichen Schulen ausgeblendet.
So haben sich die Schülerzahlen an den allgemeinbildenden Ersatzschulen in Sachsen-Anhalt in den letzten 10 Jahren entwickelt (Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt):
Schuljahr |
2013/14 |
2016/17 |
2019/20 |
2023/24 |
Anzahl der Schülerinnen und Schüler |
14.687 |
17.568 |
19.347 |
21.597 |
In den vergangenen 10 Jahren ist somit die Schülerzahl an den allgemeinbildenden Ersatzschulen in Sachsen-Anhalt um 47 Prozent gestiegen.
Einen weiteren großen Einfluss auf die jährlich neu zu berechnenden Finanzhilfesätze für die freien Schulen haben auch die Tarifentwicklungen hinsichtlich der Bezahlung der Lehrkräfte im öffentlichen Dienst. Da die Ersatzschulen verfassungsrechtlich gehalten sind, die wirtschaftliche und rechtliche S